Dienstag, 3. November 2009

El Salvador, Honduras, Nicaragua


02.11.2009, 99. Tag

Leon, Nicaragua

Heute ist hier Feiertag. Dia de las Muertes -Tag der Toten. Und Stuart's Geburtstag.

@Stu: Happy birthday! May all your dreams come true.


Am Vormittag sehe ich mir die Stadt an. Die Kathedrale soll die groesste in Zentralamerika sein.





















Seit Wochen sehe ich zum ersten Mal wieder einen Supermarkt, der seine Bezeichnung verdient. Er gehoert einer US-amerikanischen Kette an. In der Stadt werden alle Waren angeboten, die wir Europaeer auch kennen. Trotzdem ist deutlich erkennbar, dass die meisten Menschen in grosser Armut leben. Einspaennige Pferdefuhrwerke gehoeren genauso selbstverstaendlich zum Strassenbild wie Autos, Busse und kleine LKW.






















Wer kein

Pferd hat,

spannt

sich selbst

vor die

Karre.













Die Preise fuer Lebensmittel und Kleidung sind hoeher als in den noerdlichen Nachbarlaendern (von Honduras kann ich nichts sagen). Auffaellig ist auch, dass die Menschen hier nicht so froehlich sind wie jene in Mexico, Guatemala oder El Salvador. Erst wenn ich sie direkt anspreche, zeigen sie sich genauso freundlich und hilfsbereit wie in den vorgenannten Laendern. Die Nachwirkungen der Buergerkriege sind hier noch deutlich zu spueren, waehrend sie in Guatemala zumindest verdraengt und in El Salvador relativ dynamisch ueberwunden werden.

Am spaeten Nachmittag gehe ich auf den Friedhof. Fuer mich spielt sich hier ein seltsames Schauspiel ab: Die Familien versammeln sich an den Graebern ihrer Verstorbenen. Sie lassen Drachen steigen, um den Geistern der Toten den Weg zu zeigen. Sie essen, trinken am Grab -wie ich spaeter erkennen musste, wohl ueberwiegend Alkohol-, musizieren, singen und tanzen. Sie feiern mit ihren Ahnen. Meine Bitte, Fotos machen zu duerfen, wurde freundlich, aber bestimmt abgelehnt. Schade. Nach Sonnenuntergang wurde es unangenehm lebhaft auf den Strassen. Ungewoehnlich viele stark Betrunkene randalieren derart, dass ich mich verziehe.



01.11.2009, 98. Tag -ein Scheisstag-

Leon, Nicaragua

Ich habe eine derartige Wut auf Honduras im Bauch, dass ich mich auf die Wiedergabe von Fakten beschraenken muss, um nicht selbst gegen meine im Disclaimer aufgefuehrten Prinzipien zu verstossen.

Ankunft an der Grenze El Salvador / Honduras bei El Amatillo um 11:00 h. Sofort werde ich von einer Horde wild gestikulierender 'Zoll-Agenten' umringt / bedraengt. Erst als ich ihnen sagte, dass ich zu Leuten, die mich bedraengen kein Vertrauen habe, und mit Leuten die mich belaestigen keine Geschaefte mache, ist Ruhe. Jetzt beschimpfen sie sich gegenseitig. Ende der Abfertigung beim Zoll von El Salvador: 12:00h; Kosten: 20 Cent für Fotokopien. 2 km Fahrt durch Niemandsland. Ankunft beim Zoll in Honduras.





















Heute ist Sonntag, die Banken -auch an der Grenze- haben zu. Die Grenzer sind 'entgegenkommend', bereit, die 'Strassensteuer' und andere Gebuehren in Hoehe von insgesamt ca. 100 US$ entgegen zu nehmen. Nach 2,5 h ist das erledigt. In der Zwischenzeit werde ich von penetrant bettelnden Kindern genervt. Eines davon wirft Yami um: Frontscheibe kaputt, Lenker leicht verbogen und, wie ich abends merke, die Fahrlichtbirne defekt.



Mit

Klebeband

aus der

Bord-

werkstatt

wird die

Scheibe

wieder

funktions-

tuechtig.









Zwei Berliner laden mich zum Trost zu sich nach Panama ein, wohin sie ausgewandert sind. 14:30h Weiterfahrt durch Honduras an die Grenze zu Nicaragua bei Guasaule ( ca. 130 km ). Im Bereich der Grenze werde ich noch 3 Mal kontrolliert. 2 Mal will man nochmal Geld. Ich verstehe kein spanisch, nach jeweils ca. 5 Minuten darf ich dann kostenfrei weiter. Nach ca. einer Stunde: Polizeikontrolle. Ich haette kein Warndreieck dabei (hab' ich doch, aber das interessiert nicht): 20 US$. 16:00 h: Ankunft an der Grenze zu Nicaragua bei heftigst einsetzendem Platzregen. Die Abfertigung hier geht schnell. Nach nur ca. 30 Minuten und der Zahlung von weiteren 75,- US$ habe ich meine Papiere. Zum Glück, den nun faellt der Strom und somit die Computeranlage aus. Wegen des heftigen Regens kann / will ich trotzdem nicht weiter. Auch hier bettelnde Kinder. Besonders uebel die Masche eines etwa 9-jaehrigen Maedchens. Sie schmiegt sich an mich und sagt:" Amigo, ich liebe dich, bitte schenke mir einen Dollar". Das Verhalten einiger junger Frauen liess mich nachdenklich werden. Mittlerweile regnet es auch innerhalb des Gebaeudes. Weil ich mich frage, was der Staat Honduras mit dem Wegezoll macht -die Strassen sind genauso marode wie die Gebaeude- fotografiere ich die undichte Decke.





















Einer der 'Zollhelfer' merkt das, spricht mich an. Er erzaehlt: " Ich war 11 Jahre in den USA, bis sie mich dort rausgeworfen haben. Seit 7 Jahren bin ich wieder in Honduras. Weil ich sonst keine Arbeit finde, bin ich jeden Tag an der Grenze und versuche hier etwas Geld zu verdienen. Heute hatte ich noch keinen Klienten. Ich weiss, warum du die Decke fotografiert hast. Du gehst in deine Heimat und zeigst das. Und das ist gut so. Hier passiert gar nichts. Ich weiss nicht wohin die Einnahmen des Grenzverkehrs fliessen. Die Gebaeude muessten erneuert werden, aber nichts passiert. Im Gegenteil, diese Frauen hier sind alles Prostituierte, auch die Kinder hier. Und alle handeln mit Drogen, und die Offiziellen machen mit." Ende des Zitats. Um 17:00 h laesst der Regen etwas nach. Nach insgesamt 6 Stunden, davon 4,5 Stunden an den Grenzen, und um knapp 200 US$ geschroepft, verlasse ich dieses Land. Ob / wo es seine schoenen Seiten hat, konnte ich nicht feststellen.

Nicaragua empfaengt mich im Regen. Auch hier will man 30 US$ fuer Gebuehren und Fahrzeugversicherung, aber wegen des Regens nicht mein Motorrad sehen. Um 17:30h bin ich wieder auf der Strasse. Es wird dunkel. Nun merke ich, dass mein Hauptlicht nicht brennt. Macht nix, die meisten fahren ohne Licht. Macht doch 'was, ich seh' naehmlich nichts, haenge mich andere Fahrzeuge. Ich habe kein Bargeld mehr, aber Hunger. Der Tank ist auch leer. Geldautomaten und Hotels, die Kreditkarten annehmen gibt es erst in Leon, schlappe 100 km im Land. Voila, hier bin ich.


Tacho: 29.180 km Strecke, heute: 470km Strecke, gesamt: 19.120 km



31.10.2009, 97. Tag

Zacatecoluca ,El Salvador, Pacific

Die Grenze zu El Salvador ist von Antigua in knapp 2 Stunden zu erreichen. Auf der bergigen Strecke dorthin hat es zweimal einen Motorradfahrersturz gegeben (nicht von mir). Bei Pannen / Unfaellen legen die Leute -anstelle eines Warndreiecks- Aeste auf die Fahrbahn.

Grenzstation Ciudad Pedro de Alvarado. Buntes Markttreiben auch hier, ploetzlich bist du mitten in der Zollstation. Die Ausreise war innerhalb von 20 min. erledigt. Die Einreise ging fast genauso schnell, nach schon 2 Stunden durfte ich weiterfahren. 3 kanadische Paare mit ihren Kawasaki-Enduros waren da noch nicht einmal an der Reihe. Die hatten sich schon auf eine Uebernachtung in der Grenzstation eingerichtet. Wie ich etwas spaeter bei der Durchfahrt der Ortschaften und am Verhalten der Menschen hier merkte, sind die Salvatorianer so etwas wie die Preussen Zentralamerikas. Fleissig und -wie an der Grenze zu spüren- seeeeehr ordentlich; dort hat sich Ordnung und Fleiss allerdings ausgeschlossen. Ob das wirklich in der ganzen Welt so ist?

Wegen des Regens uebernachte ich in San Rafael in einem Autohotel (Motel). Man fragt mich, ob ich alleine bin (sieht man doch) und wie lange ich bleiben will: Eine Nacht. "Hasta manana? (bis morgen frueh?). Im Zimmer wurde mir der Sinn der Fragerei klar: Ich war in einem Stundenhotel gelandet. Schoen, mit grossen Spiegeln an der Decke und der Wand. Sicherheitshalber hab' ich noch mal nach der Checkout-Zeit gefragt.


Tacho: 28.710 km Strecke, heute: 380km Strecke, gesamt: 18.710 km



30.10.1009, 96. Tag

Antigua, Guatemala

Um mit leichtem Gepaeck nach Rio Dulce fahren zu koennen, habe ich meine gelben Packtaschen bei meiner Gastfamilie deponiert, musste also hierher zurueck. Hier sehe ich Jean, einen jungen Franzosen, wieder, den ich in der Jugendherberge in Guatalajara, Mexico getroffen hatte. Ich bin gespannt, wann ich Toni und Leo, 2 Surf-Freaks -die fahren doch tatsaechlich mit ihren surfboards in Bussen durch die Lande- aus Belgien wieder sehe. Sie wollen auch mindestens bis Panama. Richard aus Queensland, Australien ist mit seiner Suzuki VStrom auch nach Ushuaia unterwegs. Er will noch 4 Tage hier bleiben, gibt mir seine email Adresse, fuer alle Faelle.


Tacho: 28.330 km Strecke, heute: 340km Strecke, gesamt: 18.330 km



29.10.2009, 95. Tag

Rio Dulce, Guatemala

Heute war ein Tagesausflug im Boot nach Livingston angesagt. Der Rio Dulce verbindet den Itzabal-See mit dem Atlantik. Teilweise windet er sich durch 30 m hohen Fels, bildet so eine wirksame Barriere fuer Sturmfluten.





















Zwischen dieser Barriere und dem See haben sich Fischer ein paradiesisch anmutendes Refugium geschaffen.





















Ich probiere eine gruene Kokosnuss. Schmeckt gut; die braunen schmecken mir besser.





















Blauer Himmel, feuchtwarmes Klima und das entspannt aussehende Verhalten der Menschen hier, die Reggaeklaenge aus den Geschaeften, die Duefte, all das bestaetigt mein Vorurteil ueber das caribische 'easy going'-Leben.




Im Ort



















Ausserhalb

















Zum ersten Mal sehe ich einen grossen Anteil der Bevoelkerung mit schwarzafrikanischer Abstammung. Sie sprechen spanisch, aber immer noch mit afrikanischem Slang. Sie bewegen sich genauso bedaechtig wie die Indogenos oder Mestizen, aber der Bewegungsablauf ist typisch afrikanisch. Sie haben ihre Wurzeln noch nicht verloren. Polo spricht mich an. Er war als Percussionist mit einer Garifundi-Band in New York, in Heidelberg, Mannheim und Freiburg. Jetzt verteilt er Werbezettel an Touristen. Er nimmt mich mit in sein 'Viertel'. Die schwarze Bevoelkerung, erzaehlt er, werde von der braunen unterdrueckt. Sie haetten keine Rechte, seien noch aermer als die Braunen. Zumindest das letzte kann ich bestaetigen. Die Lebensumstaende sind unbeschreiblich aermlich. Die Huetten stehen auf der Wiese, Strassen und Wege gibt es nicht.





















Die Haustiere, Schweine einschliesslich, leben mit den Menschen im Haus oder laufen frei zwischen den Huetten herum. Alle Menschen begruessen mich freundlich, neugierig. Polo erzaehlt ihnen stolz, wen er da aufgegabelt hat. Die Reaktion der meisten ist klar: Der Typ spinnt.





















Zu Mittag probiere ich Tapago, eine Suppe aus Allem was das Meer hergibt: Fisch, Krebse, Schnecken, Muscheln, Krabben, weiss der Geier, was noch. Die Viecher sind ungeniessbar, so ausgekocht sind sie. Aber die Suppe ist koestlich. Als Digestiv gibt's Guifiti. Das ist Kokosnuss-Rum mit eingelegten Wurzeln, schmeckt nach Enzian, soll gut sein fuer Magen, das Liebesleben und ueberhaupt. Geschadet hat nichts.

Von der Garifundimusik hab' ich leider nix mitgekriegt, die Musiker hatten heute keine Lust. Zu wenig Touris. Polo hat mir 'ne CD verkauft.



28.10.2009, 94. Tag

Rio Dulce, Guatemala

Der Ort liegt am gleichnamigen Fluss, der vom Lago Itzabal gespeist wird und in den Atlantik fliesst. Ein kleines, fuer Touristen wieder hergestelltes Fort an der Engstelle zwischen See und Fluss





















sollte im 16. Jahrhundert das Städtchen vor Piraten schuetzen; war wohl nix. Die Energie der Piraten war offensichtlich groesser als die der Verteidiger. Sehr gross kann der Widerstand nicht gewesen sein, wie unschwer an der -meist huebschen- Bevoelkerung mit dem Blut mehrerer Rassen und Nationen zu erkennen ist. Der andere Teil der Anwesenden besteht aus 'Yachties'. Weisse Ruhestaendler meist aus den USA oder Canada, die mit ihren Booten in der Caribic unterwegs sind, bzw. eben nicht. Weniger huebsch.



























































Tacho: 27.990 km Strecke, heute: 540km Strecke, gesamt: 17.990 km



27.10.2009, 93. Tag

Antigua, Guatemala

Schulfrei. Zum ersten Mal bei Tageslicht bummele ich durch die Stadt





















und gerate in eine katholische Prozession.





















Die Musik erinnert mich an eine Mischung aus New Orleans Blues und Maya Musik.





















Ein Maya Musiker begleitet die Prozession auf seine Art.








































Auch Antigua ist UNESCO Welterbe. Der Preis dieser Einmischung: Die fahrwerkzerstoerenden Pflasterstrassen muessen erhalten bleiben. Selbst stocknuechterne Fussgaenger torkeln hier herum wie besoffen.


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